Vollbremsung durch Novellierung der Ladesäulenverordnung am 12.05.21


Neue Ladesäulenverordnung verabschiedet
– Haltung der GLS Mobilität zu der aktuellen Diskussion, vor allem im Hinblick auf die im Raum stehende VerpflichtungKartenlesegeräte für Debit- und Kreditkatenzahlungen einsetzen zu müssen.

 

Obwohl die GLS Bank mit Giro-e selbst die niederschwellige Ad-Hoc-Bezahlung mit deutschen Girokarten an Ladesäulen anbieten, sind wir gegen eine verpflichtende Ausstattung von neuen Säulen mit Kartenterminals.  

  1. Die aktuell am Markt verfügbaren Kartenterminals erfordern umfangreiche Anpassungen von Hard- und Software in den Ladestationen, insbesondere im hybriden Parallelbetrieb für gängige Roaming-Ladekarten. Dies führt zu spürbar höheren Kosten pro Ladesäule und steht damit vorgesehenen Investitionen im Weg.  
  2. Die Nutzung von „anonymen“ Ad-Hoc-Kreditkartennutzungen an Ladestationen widerspricht den Anforderungen aus Eichrecht, nach dem Lade-Ende Ihre Ladedatensätze auch nachträglich abrufen können müssen, um die Messwerte digital signiert zu überprüfen. Die Verknüpfung zwischen anonymem Zahlweg und nutzungsbeziehbaren Messwerten führt zu neuer Software-Entwicklung, die ggf. sogar in eine zeitaufwändige Rezertifizierung bei den Baumusterprüfungen führt. Die vergangene Erfahrung zum Eichrecht zeigt, wie lange und aufwändig dieser Prozess sein kann. 
  3. Ladestationsbetreiber werden ihre aktuellen Investitionen zurückstellen, bis die Hersteller in vermutlich frühestens einem Jahr die überarbeiteten Ladesäulen mit Debit-/Kreditkartenterminal lieferfähig anbieten können. Dies verzögert entscheidend den weiteren aktuellen Ausbau der Ladestationen und wird bei gleichzeitig wachsender Nachfrage beim Kauf von E-Autos zu einem Ungleichgewicht führen. 
  4. Für Privatnutzer mögen Ad-Hoc-Bezahlmöglichkeiten mit Debit- oder Kreditkarten sinnvoll sein, für den Flotten- und Dienstwagengebrauch sind diese untauglich. Hier werden für gesammelte Monatsabrechnungen zwingend Roaming-Karten, wie die bisherigen Benzin-Tankkarten, benötigt. 
  5. Die fehlende Unterscheidung zwischen DC-Schnellladern und AC-Normalladestationen / „Laternenlader“ für das Payment entspricht nicht den tatsächlichen Bedürfnissen aus Nutzersicht und den betriebswirtschaftlich sinnvollen Möglichkeiten aus Hersteller- bzw. Betreibersicht. Ebenso wäre eine Unterteilung in „echte“ öffentliche Ladeinfrastruktur und halböffentliche (auch von Gästen nutzbare) Stationen bei Unternehmen hilfreich, um neue Mindestanforderungen zu definieren.
  6. In der gesamten EU gibt es unseres Wissens kein einziges Land, das ebenfalls zwingend Debit-/Kreditkartenleser einführen will. Dieser nationale Alleingang schießt weit über das gewünschte Ziel hinaus. Mit freiwilligen Angeboten kann der Markt sich selbst gestalten. 
  7. Die bereits genormte Authentifizierungsmethode ISO 15118 „Plug&Charge“ steht kurz vor der Einführung. In einigen Jahren wird es selbstverständlich sein, dass Autos sich direkt an der Ladesäule identifizieren und darüber abgerechnet werden kann. Es ist somit relativ unsinnig, jetzt noch zwanghaft in „Vergangenheitstechnik“ investieren zu müssen.  

Mit dieser verpflichtenden Vorgabe finden wir uns nicht in unserem Zukunftsbild der GLS Mobilität wieder. Gerade in Bezug auf die Qualität Zugänglichkeit/Barrierefreiheit“, die in unserem Handeln die Schaffung technisch niedrigschwelliger und bezahlbarer Nutzungsangebote impliziert. Beispielsweise durch unser Bezahlsystem Giro-e ermöglichen wir bereits jetzt ein kostengünstiges und einfaches kontaktloses Bezahlen nur über die Nutzung der Girokarte mit einem transparentem Preisangebot vor Ladestart. Auch ohne Verpflichtung in der Ladesäulenverordnung arbeiten wir daran, Kreditkartenzahlungen optional via Terminals zu integrieren, gleichwohl sind wir überzeugt, dass weitere niedrigschwellige Zugänge unabdingbar sind, wozu schließlich auch Roaming oder Flottenkarten gehören.  

Die jetzige zwingende Vorgabe, PCI-zertifizierte Kartenlesegeräte einzusetzen, stellt weitere Hürden für einen schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur auf und erhöht die Anforderungen an den wirtschaftlichen Betrieb.  

Wir benötigen dringend einen flächendeckenden „tiefgrünen“ Ausbau der Ladeinfrastruktur, um die Elektromobilität zu fördern und die Dominanz klimaschädlicher Verbrenner zu beenden. Die Verpflichtung von Kreditkartenlesern an Ladesäulen könnte dieser Vision folgeträchtig im Weg stehen.


Unsere Empfehlung daher an die aktuellen Entscheider:

Definieren Sie für Ladepunkte präzisere Kategorien und stimmen die Anforderungen darauf ab, zum Beispiel für LSV §2 Abs. 9.a.+b.

9a. ist ein Ladepunkt „primär öffentlich“ zugänglich, wenn der Eigentümer eines Ladepunktes die Abgabe von Ladestrom als wesentliche Erwerbstätigkeit durchführt und am jeweiligen Standort keiner anderen übergeordneten Geschäftstätigkeit nachgeht.

9b. ist ein Ladepunkt „nachrangig öffentlich“ (oder „untergeordnet öffentlich“) zugänglich, wenn der Eigentümer des Ladepunktes am Standort einem anderen Haupterwerb nachgeht und die Ladestation im Wesentlichen zur Eigennutzung sowie für Kunden, Mitarbeitende oder Gäste bereit gestellt wird.

9c. ist ein Ladepunkt „nicht öffentlich“ zugänglich, wenn der Eigentümer des Ladepunktes am Standort die Nutzung durch physische oder digitale Sperrung für Dritte verhindert.

Daraus folgt für LSV §4 dann eine solche Anpassung

2. An primär öffentlich zugänglichen Schnell-Ladepunkten oder in dessen unmittelbarer Nähe muss die Authentifizierung und der Zahlungsvorgang mittels eines gängigen Debit- und  kreditkartenbasierten Zahlungssytems ermöglicht werden. Die Menüführung muss mindestens die Sprachen Deutsch und Englisch berücksichtigen. Weiterhin muss der Zugang über ein webbasiertes Zahlungssystem kostenlos ermöglicht werden. Zusätzlich sind Roaming-Ladeverträge zu akzeptieren.

3. An primär öffentlichen Normal-Ladepunkten muss die Authentifizierung und der Zahlungsvorgang mindestens über ein webbasiertes Zahlungssystem kostenlos ermöglicht werden. Zusätzlich sind Roaming-Ladeverträge zu akzeptieren.

4. An nachrangig öffentlichen Ladepunkten sowie an allen Normal-Ladepunkten muss mindestens ein webbasiertes Zahlungssystem angeboten werden.

5. Weitere Zugangsmöglichkeiten an öffentlichen Ladepunkten sind freiwillig.

 

Mit einer solchen neuen Klassifizierung kann der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur gut unterstützt werden. Unnötige Kosten, gerade an nachrangig öffentlichen Ladepunkten, werden damit vermieden, gleichzeitig wird der Komfort und die allgemeine Verfügbarkeit für die Nutzer*innen erhöht.